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Montag, 18. Januar 2016
Flensburg & kleine Gänge & Welches Land wollen wir sein?
paulstaenner, 12:37h
Ich bin in Flensburg gewesen, um eine Diskussion zu beobachten. "Welches Land wollen wir sein?" lautet der Titel und die zentrale Frage einer Reihe von Veranstaltungen, die vom Sozialpsychologen Harald Welzer ins Leben gerufen wurde. Sie zieht in den kommenden Monaten durch Deutschland, dann auch durch Österreich und die Schweiz.

Detlev Buck und Kathrine Hoop.
Angesichts der Flüchtlingsströme und der Debatte, die zu diesem Thema hochgekocht sind, ist es offenbar notwendig, sich darüber zu verständigen, wie das Land aussehen soll, in dem wir leben wollen: Ein solidarisches Land? Ein gespaltenes Land? Ein Land, in dem Abenteuer möglich sind?
Flensburg ist für solch eine Debatte ein guter Ort, denn vor wenigen Wochen, nachdem Dänemark die Grenzen geschlossen hatte, strandeten tausende von Asylsuchenden in Flensburg, am letzten Bahnhof vor Dänemark. Sie wurden in einer beispielhaften Aktion von Freiwilligen versorgt, die gezeigt haben, was möglich ist.
Die Diskussion (das AudiMax war überfüllt, ein zweiter Hörsaal musste geöffnet werden) verlief norddeutsch diszipliniert, die Grundstimmung war optimistisch, die Redebeiträge sehr ruhig und besonnen, selbst wenn Sorgen geäußert wurden. Natürlich gab es auch Leute, die ihre eigene Agenda abarbeiten mussten. Zwei Teilnehmer glaubten, dass es die Länge ihrer Beiträge sei, die ihren Thesen Gewicht verleihen würde - aber sie wurden ruhig vom Publikum darauf hingewiesen, dass man ihnen nicht mehr zuhören möchte.
Am nächsten Tag war noch Zeit für einen Gang durch die Altstadt. Eine Entdeckung für mich, der ich zum ersten Mal in Flensburg war: Die St.Nikolai-Kirche am Südermarkt mit einem gewaltigen Orgelprospekt. Da hat seinerzeit eine wohl sehr wohlhabende Gemeinde vorgeführt, was sie zum Ehre Gottes und zum Lobe der eigenen Frömmigkeit in den Sammelbeutel werfen kann. An der Front zur Marktseite hing über die gesamte gotische Höhe ein Werbebanner mit zahllosen Porträts sehr unterschiedlicher Gesichtern. Dazu das Resümee "So bunt ist Flensburg"
Und wer behauptet immer, die Stimmung kippt?

Flensburg hat eine Touristenmeile als Gasse: Kruse Hof, geht von der Rote Straße ab. Ein schmaler Schlauch von Fachwerkhäusern, kleine Läden, das übliche: Tee, Wein, Kunstgewerbe usw. Trotzdem ist es gelungen, das Ensemble in diesem langgestreckten Hof so zu erhalten, dass man ein Gespür dafür kommt, wie früher, vor dem Tourismus, in diesen engen Gassen gelebt und gearbeitet wurde.
Rückfahrt ab Hotel: ein Gespräch mit dem Taxifahrer über den Niedergang seines Gewerbes. Ich beklagte mich, dass viele Taxifahrer in Berlin arbeiten, etliche von ihnen mit deutlichem Migrationsvordergrund, die die Stadt nicht kennen und ohne ihr Navi nicht einmal vom Flughafen runterkommen. Etliche von ihnen sind so wenig integriert, dass sie nicht in der Lage sind, die genannte Straße in korrekter Schreibung ins Navi einzugeben.
Es wendet sich der Taxifahrer um und konstatiert mit norddeutsch rollendem "Rrr": "Jo! Das schafft Vertrauen, nicht?"
Und schon weiß man - der bringt mich gut zum Bahnhof.
Die Sendung zum Thema "Welches Land wollen wir sein?" läuft am 22. Februar, um 19.30 Uhr, auf Deutschlandradio Kultur.

Detlev Buck und Kathrine Hoop.
Angesichts der Flüchtlingsströme und der Debatte, die zu diesem Thema hochgekocht sind, ist es offenbar notwendig, sich darüber zu verständigen, wie das Land aussehen soll, in dem wir leben wollen: Ein solidarisches Land? Ein gespaltenes Land? Ein Land, in dem Abenteuer möglich sind?
Flensburg ist für solch eine Debatte ein guter Ort, denn vor wenigen Wochen, nachdem Dänemark die Grenzen geschlossen hatte, strandeten tausende von Asylsuchenden in Flensburg, am letzten Bahnhof vor Dänemark. Sie wurden in einer beispielhaften Aktion von Freiwilligen versorgt, die gezeigt haben, was möglich ist.
Die Diskussion (das AudiMax war überfüllt, ein zweiter Hörsaal musste geöffnet werden) verlief norddeutsch diszipliniert, die Grundstimmung war optimistisch, die Redebeiträge sehr ruhig und besonnen, selbst wenn Sorgen geäußert wurden. Natürlich gab es auch Leute, die ihre eigene Agenda abarbeiten mussten. Zwei Teilnehmer glaubten, dass es die Länge ihrer Beiträge sei, die ihren Thesen Gewicht verleihen würde - aber sie wurden ruhig vom Publikum darauf hingewiesen, dass man ihnen nicht mehr zuhören möchte.
Am nächsten Tag war noch Zeit für einen Gang durch die Altstadt. Eine Entdeckung für mich, der ich zum ersten Mal in Flensburg war: Die St.Nikolai-Kirche am Südermarkt mit einem gewaltigen Orgelprospekt. Da hat seinerzeit eine wohl sehr wohlhabende Gemeinde vorgeführt, was sie zum Ehre Gottes und zum Lobe der eigenen Frömmigkeit in den Sammelbeutel werfen kann. An der Front zur Marktseite hing über die gesamte gotische Höhe ein Werbebanner mit zahllosen Porträts sehr unterschiedlicher Gesichtern. Dazu das Resümee "So bunt ist Flensburg"
Und wer behauptet immer, die Stimmung kippt?

Flensburg hat eine Touristenmeile als Gasse: Kruse Hof, geht von der Rote Straße ab. Ein schmaler Schlauch von Fachwerkhäusern, kleine Läden, das übliche: Tee, Wein, Kunstgewerbe usw. Trotzdem ist es gelungen, das Ensemble in diesem langgestreckten Hof so zu erhalten, dass man ein Gespür dafür kommt, wie früher, vor dem Tourismus, in diesen engen Gassen gelebt und gearbeitet wurde.
Rückfahrt ab Hotel: ein Gespräch mit dem Taxifahrer über den Niedergang seines Gewerbes. Ich beklagte mich, dass viele Taxifahrer in Berlin arbeiten, etliche von ihnen mit deutlichem Migrationsvordergrund, die die Stadt nicht kennen und ohne ihr Navi nicht einmal vom Flughafen runterkommen. Etliche von ihnen sind so wenig integriert, dass sie nicht in der Lage sind, die genannte Straße in korrekter Schreibung ins Navi einzugeben.
Es wendet sich der Taxifahrer um und konstatiert mit norddeutsch rollendem "Rrr": "Jo! Das schafft Vertrauen, nicht?"
Und schon weiß man - der bringt mich gut zum Bahnhof.
Die Sendung zum Thema "Welches Land wollen wir sein?" läuft am 22. Februar, um 19.30 Uhr, auf Deutschlandradio Kultur.
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